Atom-Schock in Frankreich: Messwerte im Wasser verfünfzehnfacht

Frankreich besitzt 19 Atomkraftwerke, in denen 58 Reaktoren betrieben werden. Eines davon liegt ungefähr 25 Kilometer östlich des Ortes Saumur an der Loire, welcher sich im Westen Frankreichs befindet. Bereits im Januar diesen Jahres wurden in der Loire sowie im Trinkwasser stark erhöhte Tritium-Werte festgestellt: 310 Becquerel pro Liter statt der üblichen 20.



Tritium ähnelt in seiner Struktur einem Wasserstoffelement, ist jedoch radioaktiv. Dabei wird es als nicht stark radiotoxisch eingestuft, es soll also keinen großen Einfluss auf die menschliche Gesundheit haben. Jedoch kam eine französisch-belgische Studie von 2008 zu dem Schluss, dass seine radiologische Wirkung bisher unterschätzt wurde. Denn bei hoher Konzentration kann es sich, in Form von Wasser im Körper gespeichert, in die DNS (Erbsubstanz) einlagern. Das kann vor allem während einer Schwangerschaft zum Problem werden.

"Wir haben dafür keine Erklärung. Gab es vielleicht einen Störfall oder einen Unfall in einem der Atomkraftwerke, und wir haben zufälligerweise diesen Tag erwischt? Das ist eine erste Möglichkeit. In Chinon sagen sie, dass dort nichts gewesen sei. Eine andere Möglichkeit ist, dass wir an einem Tag gemessen haben, an dem zum Beispiel im AKW Chinon radioaktive Stoffe freigesetzt wurden", sagt Jean-Yves Busson vom Verein "Sortir du nucléaire", der den sofortigen Atomausstieg fordert. Der Vereint warnt davor, dass es in den kommenden Jahren zu einem größeren Störfall in einem Kernkraftwerk kommen werde, denn alle Elemente seinen dafür vorhanden.

Frankreich - nicht nur zentralistisch in der Politik

Paris entschied 2015, Frankreich sollte den Anteil des Atomstroms am Strommix bis 2025 auf 50 % zurückfahren, denn momentan liegt er bei knapp drei Vierteln. Zu Gunsten der erneuerbaren Energien stellte der französische Staat 400 Millionen Euro bereit. Angestrebt wird damit ein Anteil der erneuerbaren Energien von 40 %, momentan liegt er bei rund der Hälfte.

Die großen Energiekonzerne gehören größtenteils dem französischen Staat. "Es waren nicht die großen klassischen Energieversorger, es waren kleine und mittlere Unternehmen, die die Erneuerbaren ausgebaut haben", sagt Loic Picot von der Firma "Initiatives et Energies Locales", kurz IEL. Er betont, für die lokalen Akteure würde es immer komplizierter auf diesem Markt. Jedoch wollen sie, als eines der letzten Unternehmen, unabhängig bleiben.

Viele der kleineren Konzerne würden von den Größeren aufgekauft, sagt Loic Picot. Das führe zu einer Zentralisierung. EdF, kurz für "Électricité de France", und Orano sind momentan die größten Energiebereitsteller. Sie arbeiten überwiegend mit Atomstrom und gehören größtenteils dem Staat. Die Branche ist mit den allein 160.000 Mitarbeitern bei EdF von enormer wirtschaftlicher Bedeutung für Frankreich. Das Land tut sich also schwer damit, die Produktion an Atomstrom zu senken.

Aber warum wird ein Störfall in den Atomkraftwerken Frankreichs erwartet? Es ist bekannt, dass in einer französischen Schmiede schon seit Jahrzehnten fehlerhafte Teile für die Atomkraftwerke gebaut wurden. Diese wurden auf der ganzen Welt eingesetzt, so auch zum Beispiel in einem Kernkraftwerk in Flamanville, das sich noch im Bau befindet. Obwohl die US-amerikanischen und die französischen Behörden ermitteln, darf EdF das französische Atomkraftwerk nach jetzigem Stand in Betrieb nehmen.

"Die Nuklearindustrie, das ist der Staat. Und der Staat, der setzt sich einfach durch."

Das ist die Aussage eines Atomaktivisten aus der Normandie, der sich mit dem Bau des fehlerhaften Atomkraftwerkes in Flamanville beschäftigt. "Ich denke, dass der Staat alles tun wird, damit der Reaktor hier ans Netz geht, weil er für die Wirtschaftsstrategie der Regierung so wichtig ist."