WM-Boykott? London prüft Strafaktionen gegen Russland

Im Fall des vergifteten Ex-Agenten Sergej Skripal will Theresa May harte Kante gegen Putin zeigen. Der russische Präsident reagiert ungehalten auf die Vorwürfe.

Noch ist nicht eindeutig geklärt, wer hinter dem Mordanschlag in der südenglischen Kleinstadt Salisbury steckt. Aber alle Indizien weisen nach Russland. Denn der ehemalige russische Geheimdienstoffizier und MI6-Doppelagent Sergej Skripal und seine Tochter wurden, nach Angabe britischer Ermittler, mit einem Nervengift aus russischer Produktion vergiftet. Beide schweben seitdem in Lebensgefahr. Für die britische Premierministerin Theresa May ist es "höchstwahrscheinlich, dass Russland verantwortlich ist".

May sucht für Sanktionen den Schulterschluss mit Europa

In London schrillen deshalb die Alarmglocken. May ließ den Nationalen Sicherheitsrat einberufen und traf sich zu einer Krisensitzung mit ihren Ministern. Das Ergebnis: London droht Russland mit einer Reihe von Konsequenzen. Sie reichen von der Ausweisung russischer Diplomaten über das Einfrieren von Vermögen russischer Oligarchen bis hin zu neuen Sanktionen und dem Ausschluss russischer Banken aus dem Finanztransaktionsnetzwerk Swift. Auch einen Boykott der Fußball-WM im Sommer haben britische Regierungsmitglieder ins Spiel gebracht.

Theresa May weiß, dass die Briten allein gegen Russland nicht viel ausrichten können. Darum bemüht sich die Regierungschefin mitten in den schwierigen Brexit-Verhandlungen auch um die Rückendeckung der EU. Der CDU-Politiker und Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses Norbert Röttgen fordert die Gemeinschaft dazu auf, diesem Ersuchen nachzukommen. "Kooperiert Russland nicht, muss es gemeinsame westliche Antworten geben", sagte er gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters.

Schmierenkampagne oder hinterhältige Racheaktion?

Unterdessen ließ die Reaktionen aus Moskau nicht lange auf sich warten. Der Parlamentsabgeordnete Andrej Lugowoi, der von Großbritannien wegen des Mordes an dem ehemaligen KGB-Agenten Alexander Litwinenko im Jahr 2006 verdächtigt wird, spricht von einer "Schmierenkampagne" gegen sein Land. Als ein Reporter Präsident Putin auf einer Landwirtschaftsmesse mit dem Fall konfrontiert, reagiert der ebenfalls äußert ungehalten: "Gehen Sie doch erst mal den Dingen auf den Grund, dann sprechen wir darüber", herrscht er den Fragesteller an.

Dabei wird genau das ein wichtiger Schritt zur Aufklärung des Falls sein. Und diese wird nicht ohne russische Hilfe funktionieren. Dabei gibt es zwei mögliche Szenarien: Entweder haben sich Kriminelle das Nervengift illegal in Russland besorgt, um eine unbekannte offene Rechnung mit Skripal zu begleichen. Oder es stehen tatsächlich offizielle Stellen hinter dem Anschlag, die sich nachträglich an dem 2004 aufgeflogenen Doppelagenten rächen wollen, der 2010 bei einem Gefangenenaustausch in den Westen kam. Wie auch immer die Wahrheit aussieht, beides wirft kein gutes Licht auf die politische Führung des Landes.