Neue Sex-Vorwürfe: Immer mehr Frauen belasten Dieter Wedel

In der Zeit erheben weitere Schauspielerinnen schwere Anschuldigungen gegen den berühmten TV-Regisseur. Akten einer Produktionsfirma untermauern ihre Aussagen.

Erst war von Mobbing und sexueller Nötigung die Rede, jetzt geht es sogar um Vergewaltigung. Die Anschuldigungen gegen Dieter Wedel wiegen schwer. Erstmals aufgetaucht sind sie im Zeit-Magazin Anfang Januar. Die Autorinnen schrieben damals, es gehe ihnen darum, die Machtstrukturen in der Filmbranche zu entlarven. Ist Dieter Wedel der deutsche Harvey Weinstein?

Der Regisseur wies in einer ersten Reaktion alle Vorwürfe zurück. Er sah sich einer Verleumdungskampagne ausgesetzt. Unter dem Druck der Anschuldigungen trat er dennoch als Intendant der Festspiele in Bad Hersfeld zurück und beklagte ein „Klima der Vorverurteilung". Angeblich hat es ihn so stark getroffen, dass er mit Herzbeschwerden in ein Krankenhaus eingewiesen werden musste.

Die neuen Vorwürfe wiegen schwer

Jetzt hat die Zeit nachgelegt. Mit einem Dossier, das den Titel eines erfolgreichen Wedel-Mehrteilers trägt: „Der Schattenmann". Darin erheben weitere Schauspielerinnen ihre Stimme gegen den Regisseur, der für sein diktatorisches Auftreten am Filmset schon seit langem berüchtigt ist. Aber die Vorwürfe gehen diesmal über das Maß des Erträglichen hinaus. Wenn sie stimmen.

Die Geschichten zweier Schauspielerinnen sind für Wedel besonders belastend, denn sie sind zum Teil dokumentiert. Sie spielen rund um die Dreharbeiten zu der TV-Serie „Bretter, die die Welt bedeuten" Ende 1980, Anfang 1981. Esther Gemsch, damals 24 und am Beginn ihrer Schauspielkarriere, berichtet, wie sie dem Regisseur während der Dreharbeiten „blauäugig" auf dessen Hotelzimmer folgte. Dann habe das Unglück seinen Lauf genommen.

Der Fall Gemsch

Wedel habe die Tür abgeschlossen, sie auf das Bett geworfen und versucht, ihre Hose zu öffnen. Gemsch wehrte sich, es kam zum Kampf: „Er setzte sich rittlings auf mich, packte meinen Kopf bei den Haaren und schlug ihn immer wieder aufs Bett, einmal auch an die Wand und dann einmal auf die Bettkante. Ich dachte, jetzt ist es aus."

Die heute 61-jährige Schauspielerin wirft Wedel explizit vor, er habe sie mutwillig verletzt und bewusst versucht, sie zu vergewaltigen. Das Brisante: Die Akten der Produktionsfirma stützen ihre Version. Ein Arztbericht soll Gemsch eine, so steht es in der Zeit, „erhebliche Bewegungseinschränkung eindeutig als Folge der Gewalttätigkeiten vom 12.12.80" bescheinigt haben. Sie wurde krankgeschrieben.

Wedel stritt die Tat gegenüber einem Anwalt damals ab. Esther Gemsch beendete ihr Engagement an dem Filmprojekt, verzichtete aber auf eine Anklage. Wie sie sagt, habe sie Angst vor Repressalien und den negativen finanziellen Folgen einer öffentlichen Auseinandersetzung mit dem Erfolgsregisseur gehabt.

Der Fall Christensen

Nach dem Ausstieg von Esther Gemsch wurde die Schauspielerin Ute Christensen verpflichtet. Und auch sie schildert schwere Grenzüberschreitungen durch den Regisseur. So habe Wedel versucht sie gegen ihren Willen zu küssen und wollte sie überreden, mit ihr auf sein Hotelzimmer zu gehen. Da sie ihm einen Korb gegeben habe, sei sie anschließend von Wedel am Set immer wieder beleidigt und vor dem gesamten Produktionsteam schikaniert worden.

Christensen habe daraufhin einen Nervenzusammenbruch erlitten. Aber nicht nur das. Sie sei damals im zweiten Monat schwanger gewesen und habe das Kind infolge der schweren psychischen Belastungen verloren. Auch diese Geschichte soll, so die Zeit, durch Akten der TV-Produktion belegt sein. Und zwar sehr gut. Denn durch die Vorfälle seien die Kosten der Produktion des Saarländischen Rundfunks in die Höhe geschnellt.

So soll in den Akten wortwörtlich geschrieben stehen, dass es „infolge versuchter sexueller Kontakte zu Handgreiflichkeiten" zwischen Wedel und Gemsch gekommen sei, weswegen die Rolle der Schauspielerin neu habe besetzt werden müssen.

Verdachtsberichterstattung oder notwendige Debatte?

Während Gemsch und Christensen, die nach eigenen Aussagen in keinem Kontakt zueinander stehen, ihre beeidigten Anschuldigungen gegen den heute 75-Jährigen unter ihrem Namen formulieren, melden sich andere Frauen in der Zeit nur anonym zu Wort. Eine von ihnen beschuldigt Wedel sogar, er habe sie im Jahr 1975 in seinem Auto in einem Wald bei Hamburg vergewaltigt.

Dieter Wedel selbst, der sich wegen seines Herzleidens noch immer im Krankenhaus aufhalten soll, schweigt zu den neuen Vorwürfen. Nur sein Anwalt äußerte sich gegenüber dem NDR-Medienmagazin Zapp und wirft der Wochenzeitung „eine grob unzulässige Verdachtsberichterstattung" vor, „für die jedes Maß verloren gegangen ist".

Zeit-Chef Giovanni di Lorenzo ist sich der Brisanz des Themas bewusst: „Es ist mit die schlimmste Anschuldigung, die man gegenüber einem Menschen erheben kann, dessen Ruf dann mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit ruiniert ist." Und fügt hinzu: „Deshalb haben wir viele Wochen recherchiert und am Ende dieser Recherche fanden wir, dass diese Zeuginnen glaubwürdig sind."

Insgesamt sollen die Zeit-Journalistinnen 17 betroffene Frauen aufgestöbert haben, von denen aber nur sieben Fälle in dem umfangreichen Artikel dokumentiert werden. Für Chefredakteur di Lorenzo steht die Causa Wedel für einen „wirklichen Missstand, der aufgeklärt gehört".